Zwei Systeme nehmen Gerüche auf


Jedes Mal, wenn wir Luft holen, gelangen Duftstoffe in unsere Nase. Um sie zu erkennen, müssen sie weiter an das Gehirn geleitet werden. Darum kümmern sich zwei voneinander unabhängige Riechsysteme.

Da ist zum einen das sogenannte trigeminal-nasale System. Benannt wurde es nach dem fünften Hirnnerv, dem Trigeminusnerv, der das Gesicht durchzieht und bis zur Nasenschleimhaut verästelt ist. Dieses System ist für das Grobe zuständig, feine Duftstoffe erkennt es nur in sehr hohen Konzentrationen. Es nimmt eher beißende Geruchsreize wie Rauch, Ammoniak oder Säure wahr und schützt uns so, ungesunde oder giftige Dämpfe einzuatmen.

Zum anderen gibt es noch das deutlich genauere olfaktorische System, das durchaus als eigentliches Riechsystem bezeichnet werden kann. Es besteht aus zwei circa vier Quadratzentimeter großen Riechschleimhäuten, die im oberen Bereich der Nase sitzen und mit Millionen von Andockstellen für Duftstoffe (Geruchsrezeptoren) ausgestattet sind.

Wie das Riechen funktioniert


Duftstoffe sind chemische Verbindungen, die als Moleküle in der Luft schweben und von uns eingeatmet werden. Damit die Geruchsinformation in unser Gehirn gelangt, müssen die Riechzellen die Duftmoleküle erkennen und dieses chemische Signal in ein elektrisches umwandeln.

Die Riechzellen spielen dabei die Rolle des Übersetzers. Auf jeder von ihnen sitzen feine Härchen, die sogenannten Zilien, die wiederum mit Geruchsrezeptoren ausgestattet sind. Diese Andockstellen arbeiten nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Sie passen nur für eine einzige Art von Duftmolekül. Etwa 350 verschiedene Geruchsrezeptoren besitzt der Mensch – Rosenduft aber setzt sich aus über 500 Bestandteilen zusammen. Wie kann man ihn trotzdem riechen? Dies ist nur durch das Zusammenwirken aller Rezeptoren möglich. Denn damit das Gehirn einen komplexen Duft wahrnehmen kann, müssen sehr viele Riechzellen, die jeweils unterschiedliche Duftrezeptoren tragen, die verschiedenen Gerüche aufnehmen.

Bevor ein Duftmolekül am Geruchsrezeptor andocken kann, muss es erst in dem Schleim aufgelöst werden, der die Riechhärchen umhüllt. Dieser Kontakt löst in der Riechzelle einen Impuls aus und das chemische Signal wird blitzschnell in ein elektrisches Signal umgewandelt.

Von der Nase zum Gehirn: Der elektrische Riechvorgang


Der elektrische Reiz wird mit Hilfe von Fortsätzen der Riechzellen (Axonen), die beim Riechen wie eine Art Stromleitung funktionieren, weitergeleitet. Zunächst bündeln sich Axone von Riechzellen des gleichen Typs, das heißt, sie sind für denselben Duft spezialisiert. Sie bilden Riechfasern, um anschließend durch die Löcher des Siebbeins in das Gehirn zu ziehen. Diese Knochenplatte trennt die Nase vom Gehirn und dient gleichzeitig als Auflagefläche für den Riechkolben (Bulbus olfactorius), wo die Riechfasern zuerst ankommen. Der Riechkolben beherbergt etwa 30.000 knäuelartige Nervengeflechte, die Glomeruli, die wie Speicherstellen fungieren und die gelieferten Informationen sammeln und weiterverarbeiten.

Jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, an dem unser Gehirn weiß, welchen Geruch wir wahrgenommen haben. Damit auch wir etwas damit anfangen können, müssen weiterführende Nervenzellen (Mitralzellen) die Information aus den Glomeruli hinaus, weiter in das Riechhirn (Olfactorischer Cortex) leiten. Dort werden die Informationen verrechnet, gebündelt und verschickt.

Einer dieser Wege führt in das sogenannte Limbische System, dem Sitz unserer Emotionen. Beim Eintreffen der Geruchsinformationen wird sofort ein Gefühl erzeugt. Das kann Freude und Wohlbefinden sein, aber auch Angst. Manche Gerüche rufen im Limbischen System Erinnerungen wach. So kann uns der Geruch von frischen Erdbeeren ein Leben lang an Omas Kuchen erinnern.

Die Riechfunktion erfüllt auch eine Schutzfunktion


Die Fähigkeit, riechen zu können, hat natürlich nicht nur einen emotionalen Sinn, vielmehr stecken auch praktische Gründe dahinter. Der Geruchssinn hat in erster Linie eine Schutzfunktion. Er warnt vor Gefahren wie Feuer oder austretendem Gas und verhindert, dass wir verdorbene Lebensmittel zu uns nehmen. Faule Eier oder saure Milch stinken ganz fürchterlich – so lassen wir die Finger davon.

Im Notfall kann der Körper durch unwillentlich gesteuerte Schutzreflexe reagieren: Steigt ein unangenehmer Duft in die Nase, reagiert dieser mit Husten, Niesen oder Würgen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Riechschleimhaut intakt ist.

Kategorien der Düfte


Die Welt der Düfte ist kompliziert und daher noch lange nicht vollständig erforscht: Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass der Mensch 10.000 verschiedene Gerüche erkennen kann. Forscher korrigierten diese Zahl jedoch inzwischen auf über eine Billion nach oben. So ist es nicht verwunderlich, dass es bisher noch nicht wirklich gelang, Gerüche in Kategorien einzuordnen. Was beim Geschmackssinn schon längst feststeht – süß, sauer, salzig, bitter und umami (fleischig, würzig) – klappt bei Düften nur mäßig. Zwar existieren einige Modelle zur Einteilung von Gerüchen, etwa blumig, ätherisch und moschusartig, aber keine basiert auf wissenschaftlich basiertem Datenmaterial.

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Sandra Stöckl-Bayerlein Neben der Medizin schlägt Sandra Stöckl-Bayerleins Herz auch fürs Texten: Deswegen war es wenig überraschend für ihr Umfeld als sie an ihr Studium der Zahnmedizin noch ein Medizinjournalismus-Studium anschloss: Auf diesem Weg verschaffte sie sich alle Kenntnisse, die ein erfolgreicher Online-Redakteur im medizinischen Bereich haben muss. Für kanyo® arbeitete sie von 2015 bis 2020. Sandra Stöckl-Bayerlein Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren