Was ist Morbus Wegener?
Bei Morbus Wegener (auch als Granulomatose mit Polyangiitis, Wegenersche Granulomatose oder Wegener-Granulomatose bezeichnet) handelt es sich um eine seltene, nicht ansteckende Gefäßentzündung. Das Tückische an der Krankheit: Sie macht sich zunächst mit unspezifischen Symptomen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich bemerkbar. Im weiteren Verlauf befällt sie jedoch andere Organe wie die Niere oder Lunge und endet unbehandelt tödlich.
Gut zu wissen:
Mediziner gehen davon aus, dass auf etwa 100.000 Einwohner fünf Personen mit Morbus Wegener kommen. Die Krankheit kann grundsätzlich in allen Altersklassen auftreten. Bei Männern und Frauen tritt sie in etwa gleich häufig auf.1
Morbus Wegener: Was ist die Ursache?
Die genaue Ursache der Vaskulitis ist bisher noch nicht bekannt. In vielen Fällen lassen sich bei Erkrankten jedoch sogenannte Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (c-ANCA) mittels eines Immunfluoreszenztest (IF) nachweisen. Dabei handelt es sich um eine diagnostische Methode, bei der Antikörper mit einem fluoreszierenden Farbstoff (Fluorochrome) markiert und so sichtbar gemacht werden. Diese gibt man entweder auf Zellbestandteile (wie Gewebeproben) (direkte Immunfluoreszenz) oder es wird das Blutserum des Patienten herangezogen (indirekte Immunfluoreszenz).
Mediziner vermuten, dass der Körper aufgrund einer Fehlregulation des Immunsystems (Autoimmunreaktion) die Abwehrkörper produziert. Diese wenden sich letztlich gegen körpereigene Zellen – genauer gesagt Blutzellen – und fördern wiederum die Bildung von Granulomen (kleine Gewebeknötchen, unter anderem aus Entzündungszellen). Häufig geht dies mit dem Absterben von nahegelegenem Gewebe (Nekrose) einher.
Warum genau es zu der Fehlregulation kommt, wissen Forscher noch nicht. Eventuell spielen Infektionen mit Bakterien wie Staphylococcus aureus eine Rolle. Diese können bestimmte Immunzellen aktivieren und so eine übermäßige Reaktion gegen körpereigene Zellen hervorrufen.
Darüber hinaus wird eine genetische Veranlagung diskutiert. So konnte Morbus Wegener in einigen Fällen gemeinsam mit der erblich bedingten Erkrankung Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (auch Laurell-Eriksson-Syndrom) festgestellt werden. Dabei kommt es zu Gewebeschäden an der Lunge und Leber. Der genaue Zusammenhang zwischen den beiden Krankheiten ist aber noch nicht geklärt.
Verlauf und Symptome der Wegener-Granulomatose
Da Morbus Wegener im Verlauf verschiedene Organe angreift, fallen die Beschwerden meist sehr unterschiedlich aus. Ausgangspunkt sind jedoch die oberen Atemwege, von wo sich die Erkrankung weiter im Körper ausbreitet. Grob lässt sich der Verlauf in zwei Phasen einteilen.
Erste Phase: Schnupfen, rote Augen und Co.
Das Anfangsstadium beginnt häufig mit harmloseren Symptomen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich sowie den Augen:
- Obere Atemwege: Typischerweise tritt zu Beginn ein blutig-krustiger Schnupfen (Rhinitis) auf, der einen chronischen Verlauf nimmt. Hinzu kommt häufig gelegentliches Nasenbluten. Später greift die Entzündung auch auf die Nasennebenhöhlen, was meist mit eitrigem Ausfluss aus der Nase einhergeht, sowie das Mittel- und Innenohr über. Ist das Mittelohr betroffen, kann das zu leichten bis mäßigen Mittelohrschwerhörigkeit (Schallleitungsstörung) führen, bei einem beteiligten Innenohr kommt es häufig zur Hörminderung.
- Augen: Bei einigen Betroffenen äußert sich Morbus Wegener in der Anfangsphase außerdem durch Entzündungen in den Augen (wie Bindehautentzündungen). Mögliche Symptome sind Schmerzen und Brennen. Ebenso können Augenrötungen und Sehstörungen (zum Beispiel plötzliches Nachlassen der Sehschärfe) auftreten.
Aha!
Im weiteren Verlauf sind auch krankhafte Veränderungen im Hals möglich, die mit Heiserkeit, Schluckstörungen oder Reizhusten einhergehen.
Zweite Phase: Befall von Niere, Lunge und weiteren Organen
Schreitet die Erkrankung weiter voran, verursacht Morbus Wegener zusätzliche Beschwerden. Je nach befallenen Organen können folgende Symptome auftreten:
- Gelenke und Muskeln: Gelenk- oder Muskelschmerzen sind mögliche Folgen bei einer Morbus-Wegener-Erkrankung. Zudem sind schmerzhafte Schwellungen und Druckempfindlichkeit an den Armen und Beinen möglich.
- Lunge und Luftröhre: Kommt es zu einer Veränderung der Lungengefäße, geht das häufig mit blutigem Husten (Hämophyse) einher. Weitere Beschwerden können mit einer Einengung der Luftröhre unterhalb der Stimmlippen (Strukturen im Kehlkopf) einhergehen, so beispielweise Atembeschwerden oder das Gefühl ersticken zu müssen.
- Nervensystem: Breitet sich die Wegener-Granulomatose aus, kann auch das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen werden. Patienten berichten dann von einem ausgeprägten Taubheitsgefühl und Missempfinden in Fingern und Fußspitzen (Polyneuropathie). In seltenen Fällen sind auch Gangunsicherheiten sowie eine schwache Muskulatur der Gliedmaßen möglich.
- Niere: Betroffene bemerken eine Erkrankung der Niere zunächst nicht. Erst in fortgeschrittenem Stadium verspüren sie in diesem Bereich Schmerzen. Stattdessen äußert sich eine eingeschränkte Nierenleistung anfangs meist durch Symptome wie Bluthochdruck oder Schwellungen im Augenbereich, wenn die Nieren die aufgenommene Flüssigkeit nicht mehr vollständig ausscheiden können und es folglich zu Wassereinlagerungen (Ödemen) kommt. Schlimmstenfalls versagt die Niere komplett, was bei Nichtbehandlung zum Tod führt.
Zudem können die Entzündungen zu einem Absterben von Gewebe (Nekrose) führen. Diese Gewebeschäden machen sich an der Haut bemerkbar: Sie trocknet aus und bekommt ein lederartiges, schwärzliches Aussehen.
Gut zu wissen:
Neben den oben genannten Beschwerden klagen einige Betroffene noch über Symptome wie einem allgemeinen Krankheits- und Schwächegefühl sowie Müdigkeit. Aber auch Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust sind mitunter Anzeichen.
Die Diagnose von Morbus Wegener
Aufgrund seiner uncharakteristischen Symptome und dem schleichenden Beginn wird Morbus Wegener oft erst spät erkannt. Betroffene denken zunächst an andere Ursachen. Deshalb kann es lange dauern, bis Ärzte die richtige Diagnose stellen.
Welcher Arzt ist der richtige?
Der erste Ansprechpartner ist aufgrund der Beschwerden in den oberen Atemwegen in der Regel der Hausarzt oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Meist wird erst im späteren Verlauf, wenn weitere Symptome hinzukommen, ein Internist hinzugezogen, um eine organische Ursache abzuklären.
Letztendlich lenkt das diffuse Beschwerdebild des Patienten irgendwann den Verdacht auf Morbus Wegener. Aber selbst dann ist es für den behandelnden Arzt nicht leicht, eine eindeutige Diagnose zu stellen. Eine Möglichkeit bietet eine gezielte Blutuntersuchung. Bei schweren Krankheitsverläufen lassen sich in etwa 90 Prozent der Fälle c-ANCA Antikörper im Blut nachweisen.2 Werden diese nicht entdeckt, bedeutet dies jedoch nicht zwangsläufig, dass der Patient nicht an Morbus Wegener erkrankt ist. Die Antikörper können theoretisch auch fehlen.
Darüber hinaus unterstützen mitunter auch folgende Verfahren bei der Diagnose:
- Blutuntersuchung: Entzündungswerte im Blut (beispielsweise vermehrt weiße Blutkörperchen) liefern weitere wichtige Erkenntnisse für den Mediziner.
- Urintest: Sind die Nieren bereits betroffen, finden sich rote Blutkörperchen und Eiweiße im Urin.
- Bildgebende Verfahren: Mithilfe einer Röntgenuntersuchung lassen sich beispielsweise Veränderungen in der Lunge feststellen. Die Magnetresonanztomografie (MRT) wird bei Verdacht auf eine Beteiligung des Nervensystems durchgeführt.
- Biopsie: Auch die Entnahme von Gewebsproben, zum Beispiel aus der Nase, kann Anhaltspunkte liefern.
In der Regel erfolgt eine gesicherte Diagnosestellung über die Kombination verschiedener Untersuchungsmethoden.
Behandlung von Morbus Wegener
Morbus Wegener ist bisher noch nicht heilbar. Das Ziel deshalb ist eine stadiengerechte Therapie, die auf die Linderung der Beschwerden abzielt.
Interessant:
An sich beeinträchtigt die Erkrankung die Lebenserwartung beziehungsweise -qualität kaum – sofern zeitnah eine Therapie erfolgt. Allerdings kommt es bei den meisten Patienten im Lauf des Lebens zu einem oder mehreren Rückfällen, die einer erneuten Therapie bedürfen. Bleibt Morbus Wegener jedoch unbehandelt, beträgt die mittlere Lebenserwartung nach Auftreten erster Symptome etwa 1 Jahr.3
Therapie im Frühstadium
Bei einem lokal begrenzten Stadium ohne Beteiligung von Lunge, Niere oder anderen Organen, kann auf Cotrimoxazol und ein synthetisches Glucocorticoid zurückgegriffen werden. Bei Cotrimoxazol handelt es sich um ein Kombinationspräparat aus zwei verschiedenen Antibiotika, das in erster Linie bei Infektionskrankheiten zum Einsatz kommt. Letzteres Arzneimittel besitzt eine entzündungshemmende und antiallergische Wirkung.
Wie genau die beiden Arzneistoffe bei Morbus Wegener zur Verbesserung der Symptome beitragen, ist noch nicht genau geklärt. Allerdings lässt sich mit diesem Therapieansatz in 50 Prozent der Fälle ein Nachlassen der Krankheitssymptome (Remission) erreichen.1
Behandlung bei schwerem Verlauf
Ist die Erkrankung bereits fortgeschritten und Organe wie Lunge oder Nieren betroffen, erfolgt in der Regel zunächst eine Induktionstherapie (medikamentöse Erstbehandlung) mit Zytostatika aus der Gruppe der Stickstoff-Senfgas-Verbindungen mit alkylierender Wirkung, die unter anderem bei der Behandlung von Krebs zum Einsatz kommen. Zytostatika hemmen die Zellteilung und verhindern somit das Zellwachstum.
Die Medikamente müssen entweder in Form von Tabletten eingenommen oder per Infusion verabreicht werden. Da diese sogenannten Immunsuppressiva die körpereigene Abwehr unterdrücken, sind jedoch starke Nebenwirkungen wie eine erhöhte Infektanfälligkeit oder eine hämorrhagische Zystitis (schwer behandelbare blutige Blasenentzündung) möglich. Daher sind engmaschige ärztliche Kontrollen notwendig – auch um ein erneutes Auftreten der Erkrankung rechtzeitig zu erkennen.
Sind bei schwerer Erkrankung die Nieren betroffen, verordnen Mediziner zu Beginn der Therapie außerdem eine mehrfache Blutwäsche (Reinigung des Blutes mit einem Dialyse-Gerät).
Schon gewusst?
Bei einigen Vaskulitiden kann beim Versorgungsamt beziehungsweise der nach Landesrecht zuständigen Behörde ein Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis gestellt werden. Der Grad der Behinderung (GdB) und Grad der Schädigungsfolgen (GdS) richtet sich nach Art und Ausmaß der beteiligten Organe sowie den Auswirkungen auf den allgemeinen Krankheitszustand.
Mit Nachlassen der Beschwerden empfiehlt es sich auf ein verträglicheres Immunsuppressivum zurückzugreifen. Welches das richtige Medikament zur Dauerdosierung ist, besprechen Betroffene gemeinsam mit dem Arzt. In der Regel erfolgt die Erhaltungstherapie ein Leben lang, nur in seltenen Fällen konnte eine vollständige Heilung beobachtet werden.
Tipp!
Um das allgemeine Wohlbefinden während der Therapie zu steigern, sollten Betroffene auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung achten. Eine spezielle Diät oder Sportart ist jedoch nicht notwendig.